Von Highlights, Verantwortung und einem Diakon

Das Herz von Petronilla KW24

Die Aufgaben der Woche

Greatest hits

 

Da ich mir für diese und letzte Woche Urlaub genommen hatte, gibt es nicht viel Neues von meiner Seite aus zu berichten. Stattdessen nutze ich diese Situation, um von meinen Top 5 Lieblingstätigkeiten im Rahmen des bisherigen FSJs zu erzählen; meine greatest Hits, wenn man so will. 
 

#5: Die Möglichkeiten, etwas einzubringen. Als Person, die noch nicht so lange volljährig ist (Jahrgang 2004), ist es für mich noch etwas besonderes, auf Augenhöhe mit erwachsenen Entscheidungsträger*innen behandelt zu werden. Umso erfüllender ist es für mich, wenn ich mich tatsächlich auf konstruktive Weise einbringen kann. Und diese Möglichkeit hatte ich bereits ein manches Mal bei Dienstgesprächen und ähnlichen Sitzungen. Ein bisschen berichte ich auch hier davon. 
 

#4: Die Adventsmesse im Hospiz lebensHaus. Ich liebe ja die Advents- und Weihnachtszeit; als Gemeinde haben wir in der Zeit natürlich so manches zu tun - inklusive besonderer Gottesdienste. Einen davon, der im Handorfer Hospiz lebensHaus stattfand, konnte ich im Dezember auch miterleben. Ich hatte da kaum Aufgaben (außer ein bisschen beim Auf- und Abbau zu helfen) und daher konnte ich einfach die von Pfarrer Jürgen Streuer und Schwester Imelda Schmiemann gestaltete Messe genießen. Da die beiden stets durch ihre ruhige Zugewandtheit begeistern, war das sehr angenehm. 
 

#3: Geschenke für die Messdienenden verpacken. Es geht weihnachtlich weiter. Zu Weihnachten bekommen die Messdienenden der Gemeinde eine Kleinigkeit geschenkt - letztes Jahr waren es Mützen. Irgendjemand musste diese Mützen aber noch schön weihnachtlich verpacken; und wenn ich "irgendjemand" sage, meine ich natürlich mich. Das war zwar eine recht repetitive Aufgabe, doch aus irgendeinem Grund hat sie mir viel Freude bereitet, insbesondere mit dem anfänglichen Erfolgserlebnis, nach langem Suchen das Geschenkpapier im Pfarrhauskeller zu finden. Es tat auch einfach gut, dazu beizutragen, dass vielen Menschen eine kleine Freude gemacht wird. 
 

#2: Kindergartengottesdienste zu Aschermittwoch. Einiges habe ich auch schon in diesem Beitrag angesprochen, aber hier nochmal in Kurzfassung: ich habe mich schon besonders gefühlt, als ich die Kindern unserer KiTas mit Aschekreuzen auf der Stirn segnen durfte. Aber wirklich atemberaubend herzerweichend war die Situation, als eines der Kinder dem Pastoralreferenten Florian Schulz ein Aschekreuz verpasst hat. 
 

#1: Die Kinderbibeltage. Es fiel mir schwer, die Kinderbibeltage nicht noch in mehrere Punkte aufzuteilen, aber hätte ich das getan, wäre diese ganze Liste damit gefüllt. Es gab so viel, was mir daran Freude bereitet hat: die Beschäftigung mit menschlichen, sowie theologischen Fragen, zu denen die Kinder auch ohne hohe theologische Expertise interessante Perspektiven einbrachten, das Schreiben des Skripts für die Passions-KiBiWo, das Schauspielen, die Planungen, Vor- und Nachbesprechungen mit den Teamer*innen, etc.. Eine der Personen, die ich in diesem Rahmen kennenlernen durfte, zählt tatsächlich mittlerweile zu meinen engsten Freundinnen. Ich hoffe, die Kinderbibeltage bleiben noch lange erhalten und ich kann mich auch noch in Zukunft (ehrenamtlich) beteiligen. 

Der Mensch hinter dem Amt

Diakon Joachim Speck 

 

Was sind deine Aufgaben in der Gemeinde?

Als Diakon mit Zivilberuf bin ich nebenamtlich unterwegs. Ich selbst sehe mich eher als Ehrenamtler. Ich übernehme Kasualien, d.h. Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Daneben bin ich ab und an im Predigtdienst unterwegs und assistiere gelegentlich in der Messe 

Mein Zivilberuf ist übrigens Projektkaufmann bei der Deutschen Bahn. 

 

Wie bist du dazu gekommen, hier tätig zu werden?

Der Flirt mit Petronilla hat begonnen mit der Gemeindefahrt nach Assisi 2007. Ich habe eine sehr einladendes Seelsorgeteam und sehr offene ehrenamtliche Menschen kennengelernt. Und so bin ich unversehens „reingerutscht“ in den Liturgieausschuss und den Lektoren-Dienst. 

Und irgendwann stand die Frage des Diakonats im Raum. Nach einer vierjährigen Ausbildung wurde ich 2014 zum Diakon geweiht und bin seitdem in St. Petronilla Münster eingesetzt.

 

Was gefällt dir am meisten an der Gemeindearbeit?

In den Kasualien (Taufen, Trauungen, Beerdigungen) darf ich Menschen einen kleinen Moment ihres Lebens begleiten. Ich bin dankbar dafür, dass sie mir eine Tür öffnen und ich teilnehmen kann an ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit und dass ich auch das Gepäck, das ich trage, nicht vor der Tür abstellen brauche, sondern mich als Person einbringen kann.

 

Wie würdest du deine Persönlichkeit beschreiben?

Ich bin neugierig auf Personen, Lebenssituationen und Ereignisse, die mir zunächst fremd erscheinen. Neudeutsch würde man sagen: openminded. 

Allerdings bin ich  auch ziemlich chaotisch, etwas zu langsam und in mich gekehrt. 

Ich versuche, mich nicht so ernst zu nehmen. Ironie sollte bei einem selbst anfangen. 

 

Was ist deine größte Leidenschaft?

Mich auf EINE zu beschränken, schaffe ich nicht. 

Meine Kinder sind für mich DER lebenstragende Faktor. 

Ansonsten habe ich Spaß am Kochen, gehe gerne in  Kino und Theater und habe Freude an Büchern, sowohl als Lesender als auch als Hörender auf meinen Spaziergängen mit dem Hund (auch so eine Leidenschaft ; ) ).

 

Was sollte man noch über dich wissen?

Ich ein noch wenig in der Queergemeinde und in der Arbeitsgruppe queersensible Pastoral des Bistums aktiv. 

Die Initiative #outinchurch hat mich aus einem Dornröschenschlaf geweckt und ich bin dankbar dafür, dass ich endlich in aller Offenheit als schwuler Vater in Kirche und Gesellschaft sichtbar bin.

Die Wahrheiten im Wort

"Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen. Dann pflanzte Gott, der HERR, in Eden, im Osten, einen Garten und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der HERR, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und köstlich zu essen, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. [...] Gott, der HERR, nahm den Menschen und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte. Dann gebot Gott, der HERR, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn am Tag, da du davon isst, wirst du sterben. Gott, der HERR, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde. Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein. Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der HERR, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und begehrenswert war, um klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß.Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. Als sie an den Schritten hörten, dass sich Gott, der HERR, beim Tagwind im Garten erging, versteckten sich der Mensch und seine Frau vor Gott, dem HERRN, inmitten der Bäume des Gartens. Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen? Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen. Gott, der HERR, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen. [...] Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir und häufig wirst du schwanger werden. / Unter Schmerzen gebierst du Kinder. / Nach deinem Mann hast du Verlangen / und er wird über dich herrschen. Zum Menschen sprach er: Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten hatte, davon nicht zu essen, ist der Erdboden deinetwegen verflucht. / Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen / und die Pflanzen des Feldes wirst du essen. Im Schweiße deines Angesichts / wirst du dein Brot essen, / bis du zum Erdboden zurückkehrst; / denn von ihm bist du genommen, / Staub bist du / und zum Staub kehrst du zurück. Der Mensch gab seiner Frau den Namen Eva, Leben, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen. Gott, der HERR, machte dem Menschen und seiner Frau Gewänder von Fell und bekleidete sie damit. Dann sprach Gott, der HERR: Siehe, der Mensch ist wie einer von uns geworden, dass er Gut und Böse erkennt. Aber jetzt soll er nicht seine Hand ausstrecken, um auch noch vom Baum des Lebens zu nehmen, davon zu essen und ewig zu leben."

Gen. 2, 7 - 9; 15 - 17; 19; 3, 1 - 13; 16 -22

 

Diesmal ein sehr langer Abschnitt, aber ich konnte ihn nicht weiter kürzen, ohne wichtige Details auszulassen. 

Dies ist eine Geschichte, die den meisten von euch bekannt sein könnte. Wenn man sich die Situation anschaut, wirkt es schon etwas hart, dass die Menschen so schwer bestraft wurden, dafür, dass sie die extrem verlockenden Früchte des magischen Baums in der Mitte des Gartens, in dem sie jeden Tag ihre Zeit verbrachten, gekostet haben. Daher sehe ich das nicht als Bestrafung. Lasst mich erklären:

Anfangs haben die Menschen hedonistisch gelebt; alles stand ihnen zur Verfügung und sie haben gänzlich ohne Scham und Schuldgefühl genossen. Und die paar Pflichten, die der Mensch waren solche, wo man nicht viel falsch machen kann: Tiere benennen, in besten Wetterbedingungen gärtnern, etc.

Diese Ausgangssituation erinnert ein bisschen daran, wie moderne Eltern oft die Welt für ihre kleinen Kinder gestalten (wollen). Sie werden umsorgt, damit ihre körperlichen Bedürfnisse erfüllt werden, sie werden anderen Kindern nahegebracht, um sie sozial einzubinden, ihnen werden kleine (eher unwichtige) Aufgaben gegeben, um sie zu beschäftigen oder ihnen etwas beizubringen, etc.

 

Diese entspannte Existenz endet mit dem Anbeißen der Frucht der Erkenntnis. Doch bei den Folgen, die daraus entstanden, handelt es sich - wie gesagt - nicht um Strafen. Viel mehr ist es der Preis der Freiheit, die Verantwortungen der Realität.

Um den Vergleich mit der Eltern-Kind-Beziehung weiterzuführen, spiegelt dieser eine Akt das langjährige Abnabeln vom Elternhaus und Vertrautmachen mit der Außenwelt wider. Man entwickelt eine Moral (eine Erkenntnis von Gut & Böse) und auch ein Gefühl davon, was angemessen ist und was nicht (so ist es z. B. nicht angemessen, den ganzen Tag nackt rumzulaufen). Dadurch, dass man mehr und mehr zu seinem eigenen Menschen wird, erfährt man zwar einerseits mehr Freiheit, bekommt andererseits aber auch mehr Verantwortung und Herausforderungen aufgeladen. Der Mensch kann nun selbst neues Leben erschaffen, muss dafür aber auch die Schmerzen der Schwangerschaft und Geburt in Kauf nehmen. Der Mensch kann nun die Welt in all ihrer Vielfalt erkunden, muss sich aber auch härteren Umweltbedingungen stellen. Der Mensch kann nun alle möglichen Freiheiten auskosten, muss sich aber auch entscheiden, wie er sie nutzt.

Sobald man die Welt außerhalb der eigenen vier Wände kennenlernt, wird man auch von dieser maßgeblich beeinflusst und lernt von ihr. Die Art, wie Gott die Menschen verwirrt und erzürnt fragt, woher sie denn wüssten, dass sie nackt sind, erinnert mich sehr an Situationen, wo Grundschulkinder irgendwann anfangen, Schimpfwörter zu sagen und die Eltern dann ganz schockiert versuchen herauszufinden, von wem sie diese Wörter haben.

 

Ich muss bei dieser Erzählung an den Begriff der "Ambivalenz der Moderne" des Sozialpädagogen Wilhelm Heitmeyer denken. Das Konzept besagt grob, dass den jungen Generationen mehr als je zuvor alle Türen offen stehen, das aber auch zu starken Verunsicherungen führen kann, weil jede Freiheit auch mehr Verantwortung und Entscheidungsdruck mit sich zieht. Und obgleich die Definition Heitmeyers auf die Moderne abzielt, machen die ersten Menschen hier eine ähnliche Erfahrung: sie werden aus den einschränkenden Mauern Edens entlassen, was sie zwar verunsichert, ihnen aber auch neue Möglichkeiten der Identitätsfindung und Selbstwirksamkeit ermöglicht. 

Anfangs können die Menschen - so wie viele Menschen heute noch - nicht mit der Verantwortung umgehen; statt zu ihren Handlungen zu stehen, verstecken sie sich und fangen - sobald sie negative Konsequenzen befürchten - mit dem guten alten "Er war's! Er war's! Er war's!" "Sie war`s! Sie war`s! Sie war's!" an. Das kann man natürlich verurteilen, aber ich denke viele von uns würden ähnlich reagieren. Zuverlässig verantwortungsvoll zu handeln kann eine tägliche Herausforderung sein und es gelingt einem nicht immer, zu dem, was man tut, zu stehen.

 

Abschließen möchte ich diesen Beitrag mit einem kurzen Impuls in Form eines Zitats, das ich mal auf einem Sticker an einem Laternenpfosten sah und das gut zu dieser Geschichte passt: Was macht dir mehr Angst: Freiheit oder Sicherheit?