Von Menschen, Angst und der Verbundleitung

Das Herz von Petronilla KW28

Die Aufgaben der Woche

Den Menschen im Fokus

 

Die Gemeindearbeit ist grundsätzlich sehr menschenfokussiert. Diese Menschennähe kann ich bei meinem freiwilligen sozialen Jahr oft erleben. Ich habe bereits öfters von der Arbeit mit Kindern berichtet, doch heute erzähle ich mal von der Arbeit mit anderen Altersgruppen.

 

Beginnen wir mit einer anderen noch recht jungen Menschengruppe: den Messdienenden. Tatsächlich überschneidet sich meine Arbeit nur recht selten mit der Arbeit der Messdienenden, doch ab und an ergibt es sich, dass ich mit ihnen in direkten Kontakt komme und man sich gegenseitig unter die Arme greifen kann. So ergab es sich beispielsweise letzte Woche, dass ich in das Pfarrbüro trat und mitbekam, dass dort vier Gruppenleiterinnen der Messdienenden nach einen Schlussel fragten. Wie ich schnell erfuhr, brauchten sie den Schlüssel für das Möbellager der Flüchtlingshilfe Münster-Ost (FlüMO), weil sie dort ein Sofa abholen wollten, um es in ihren Gruppenraum zu stellen (unter den Menschen, die die FlüMO unterstützt, hat sich über einen längeren Zeitraum keine*n Abnehmer*in für das Sofa gefunden).

Als mich die Messdienerinnen im Pfarrbüro sahen, nutzten sie die Gunst der Stunde, um mich zu fragen, ob ich ihnen die Möbelgarage aufschließen und beim Tragen helfen könne. Es war mir eine Freude, ihnen behilflich sein zu können; also gingen wir gemeinsam die knapp 200 Meter bis zur Möbelgarage. Dort angekommen, räumten wir das Sofa erstmal frei und platzierten uns an den Flächen und Ecken des Sofas, um es zum Pfarrheim zu tragen. Der Weg war nicht ganz ohne Schwierigkeiten, weil es sich um ein sperriges, unhandliches und schweres Möbelstück handelt. Es fühlte sich aber toll an, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Besonders aufwendig wurde es, als es darum ging, das Sofa ein enges Treppenhaus hochzutragen, um es dann von einem engen Gang durch eine enge Tür in den Gruppenraum zu bringen. Da waren wir auch mehrmals kurz vorm Aufgeben, was das Erfolgserlebnis umso größer machte, als wir es schließlich schafften.

 

Natürlich dreht es sich in der Gemeindearbeit auch öfter mal um (junge) Erwachsene. So hatte ich letzte Woche auch die Möglichkeit, bei einem Brautgespräch dabei zu sein. Dabei führt der Priester, der das Paar vermählt (in diesem Fall Pfarrer Jürgen Streuer), ein Gespräch mit den beiden Personen, die heiraten wollen. Das fängt erstmal mit organisatorischen Kram an - wie der Ablauf sein soll, was für Lieder gesungen werden, etc.

Dann wird`s interessant: dem Paar werden Fragen gestellt wie Wie habt ihr euch kennengelernt? und Was zeichnet die andere Person aus?, aber auch Was sind die Macken der anderen Person?.

Dabei hat einerseits das Paar die Möglichkeit, nochmal den großen Schritt der Heirat zu reflektieren und der Priester lernt das Paar ein bisschen besser kennen und kann die Messe so etwas persönlicher gestalten. Sicherlich gibt es gewisse Platitüden, die nahezu jedes Paar von sich gibt, doch dazwischen verbirgt sich immer eine sehr individuelle Geschichte mit einzigartigen Drehungen und Wendungen. 

Das erinnert mich daran, dass jeder Mensch sein eigenes Leben lebt, Leidenschaften hat, Verluste erfahren hat und täglich durch neue Erfahrungen geprägt wird. Das mag selbstverständlich klingen, aber es ist ein sonderbares Gefühl, wenn man sich das über alle Personen, mit denen man zum Beispiel gerade im Bus oder Zug sitzt, ins Bewusstsein ruft.

 

Auch ältere Erwachsene sollen bei uns nicht zu kurz kommen. Eine Aufgabe, der ich (nahezu) wöchentlich nachgehe, ist ein Einkauf für ein Gemeindemitglied, das körperlich/gesundheitlich nur schwerlich dazu in der Lage wäre, selbst einkaufen zu gehen. Dieser Dienst läuft wiefolgt ab: die hilfsbedürftige Person telefoniert wöchentlich mit dem Pastoralreferenten Hans-Dieter Sauer, um ihm ihre Lebensmittelwünsche zu diktieren. Diese schreibt Hans-Dieter dann in eine übersichtliche Liste, die er mir zukommen lässt. Mit der geh ich dann in den nahegelegenen EDEKA und arbeite die einzelnen Produkte ab. Schließlich bezahle ich mit einem 50€-Schein und lege die Einkäufe, das Rückgeld und den Beleg in eine Tasche. Dann schwinge ich mich auf mein Fahrrad und fahre zu dem Haus der betroffenden Person. Sie nimmt die Käufe und das Rückgeld an, gibt ggf. eine Rückmeldung, wenn sie ein anderes Produkt als das gekaufte meinte und zahlt die 50€ für den Einkauf (+ 5€ fürs Bringen). Über die Wochen und Monate wird man immer vertrauter mit der Person, für die man einkauft, aber auch mit den freundlichen Mitarbeitenden des EDEKAs.

 

Mit der Gruppe am oberen Rande des Altersspektrums habe ich nur recht selten etwas zu tun. Manchmal helfe ich allerdings bei Messen im Seniorenzentrum Handorfer Hof. Da helfe ich dann beispielsweise dadurch, dass ich dafür sorge, dass jede*r einen Platz bekommt oder ich an alle einen Liederzettel austeile. Da muss ich dann auch mal das Risiko eingehen, ins Fettnäpchen zu treten, weil es auch manche Bewohner*innen gibt, die körperlich kaum noch dazu in der Lage sind, Sachen wie Liederzettel festzuhalten.

 

Wie man sieht, spiegelt sich die Vielfalt der Gemeindearbeit auch in der Vielfalt unseres Klientels wider.

Der Mensch hinter dem Amt

Verbundleitung Christian Wilm

 

Was sind deine Aufgaben in der Gemeinde?

Als Verbundleitung leite ich die drei Kindertageseinrichtungen hier in der Kirchengemeinde und arbeite zwischen der Ebene des Trägers, der Zentralrendantur und den Einrichtungsleitungen und koordiniere Aufgaben aus allen Tätigkeitsfeldern. So übernehme ich die allgemeine Verwaltung der Einrichtungen, die Personalführung und habe die pädagogische Fach- und Dienstaufsicht. Ich kann durch meine Arbeit den Träger, die Leitungen und die Zentralrendantur entlasten und die pädagogischen Mitarbeiter unterstützen.

 

Wie bist du dazu gekommen, hier zu arbeiten?

Bevor ich hier gearbeitet habe, war ich als Verbundleitung in Recklinghausen tätig. Die Vorgängerin meiner Stelle hier in Handorf kannte ich aus einer gemeinsamen Supervisionsgruppe. Als sie in Rente ging hat sie mich gefragt, ob ich mich nicht auf die Stelle in St. Petronilla bewerben möchte.

 

Was gefällt dir am meisten an dem Beruf?

Jeder Tag ist anderes und ich komme mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt.

 

Wie würdest du deine Persönlichkeit beschreiben?

Ehrlich und zuverlässig

 

Was ist deine größte Leidenschaft?

Ich fahre sehr gerne ans Meer (Nord- oder Ostsee), außerdem liebe ich, trotz meiner Flugangst, die Insel Mallorca.

Eine weitere große Leidenschaft von mir ist der Kölner Karneval.

 

Was sollte man noch über dich wissen?

Das weiß ich gerade gar nicht…..lernt mich einfach kennen!

Die Wahrheiten im Wort

"Als die Israeliten sahen, dass sie in Gefahr gerieten und dass das Volk bedrängt wurde, versteckten sie sich in Höhlen, Schlupflöchern, Felsspalten, Gruben und Zisternen. Einige Hebräer gingen über den Jordan in das Land Gad und Gilead. Saul war noch in Gilgal und das ganze Volk, das ihm gefolgt war, hatte große Angst. Er wartete in Gilgal sieben Tage auf Samuel, wie vereinbart, aber Samuel kam nicht. Als ihm nun das Volk davonlief, sagte Saul: Bringt das Brandopfer und die Heilsopfer zu mir her! Und er brachte das Opfer dar. Gerade als er mit der Darbringung des Opfers fertig war, kam Samuel. Saul ging ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. Samuel aber fragte: Was hast du getan? Saul antwortete: Weil ich sah, dass mir das Volk davonlief und du nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt gekommen bist und die Philister sich bei Michmas versammelt haben, dachte ich: Jetzt werden die Philister gegen mich nach Gilgal herabziehen, noch ehe ich den HERRN gnädig gestimmt habe. Darum habe ich es gewagt, das Brandopfer darzubringen. Samuel erwiderte Saul: Du hast töricht gehandelt: Hättest du das Gebot bewahrt, das dir der HERR, dein Gott, gegeben hat, dann hätte er jetzt deine Herrschaft über Israel für immer gefestigt. Nun aber wird deine Herrschaft keinen Bestand haben. Der HERR hat sich einen Mann nach seinem Herzen gesucht und ihn zum Fürsten seines Volkes gemacht. Denn du hast nicht bewahrt, was der HERR dir geboten hat."

1. Sam. 13, 6 - 14

 

Dieser Abschnitt aus dem alten Testament präsentiert einen Wendepunkt in der Geschichte König Sauls. Dieser ist meiner Meinung nach eine der tragischsten Figuren der Bibel. Lasst mich erläutern, wie ich darauf komme und was uns diese Geschichte heute noch beibringen kann:

 

Zunächst möchte ich kurz den Kontext dieser Bibelstelle erläutern. Wir lernen Saul ein paar Kapitel vorher durch die Augen des Propheten Samuels kennen. Samuel bekommt den Auftrag von Gott, Saul zum Fürsten zu salben und ihn als König einzusetzen. Der gehorsame Samuel folgt dem Auftrag, obwohl er eigentlich dagegen ist, Israel von einem König regieren zu lassen. Als wir Saul kennenlernen, ist es nicht schwer zu sehen, warum er erwählt wurde: er kommt als richtiger Sypathieträger rüber; er bleibt bescheiden, ist offen und sozial - und richtig heiß... aus irgendeinem Grund ist das so ziemlich das erste, was wir über ihn erfahren (1. Sam. 9, 2: "[...]Saul, der jung und schön war; kein anderer unter den Israeliten war so schön wie er; er überragte alle um Haupteslänge.").

Wie dem auch sei, Saul schlägt sich anfangs ganz schön gut als erster König Israels. Zwischen den zeilen wird indes allerdings sehr deutlich, dass in Samuel eine Antipathie gegenüber Saul wächst, wahrscheinlich weil er eifersüchtig ist, da der alte Samuel scheinbar durch den neuen, jungen, hübschen Saul ersetzt werden soll. So wartet Samuel förmlich darauf, dass Saul einen Fehler macht.

 

Und diese Möglichkeit findet er an dieser Stelle. Saul ist auf einen Kriegszug und muss auf Samuel vertrauen, doch als die Situation brenzlig wird und Samuel sich nicht an die abgemachte Zeit hält, verliert Saul jegliches Vertrauen, bekommt kalte Füße und bringt verzweifelt Opfergaben dar. Samuel, der sich lediglich verspätet hat, macht Saul für dieses Armutszeugnis richtig runter, was den jungen Saul, der sicherlich eine gewisse Hochachtung gegenüber dem alten, weisen Samuel, der ihn schließlich einst salbte, empfindet, ganz schön mitnimmt. 

 

Wie gesagt, ist das ein Wendepunkt in Sauls Geschichte. Von diesem Punkt an trifft er immer öfter streitbare Entscheidungen, anscheinend von Angst getrieben. Wie so oft in tragischen Geschichten sorgt erst seine Angst davor, bestimmte Sachen zu verlieren, dafür, dass er ebendiese verliert. Saul hat Angst, Gottes Gunst, das Vertrauen und die Zuneigung seines Volkes zu verlieren und gerät dadurch in eine Art Schockstarre, die ihn dazu bringt, sich verzweifelt an alte, traditionelle Vorgehensweisen zu klammern und ihn verbittert, irritabel und psychisch labil macht. So entfernt er sich natürlich weiter von dem Göttlichen in sich. Er wüted regelmäßig gegen seine eigenen Handlanger (wirft sogar mit Speeren nach ihnen), schreit seinen Sohn, Jonathan, an als er Wind von seiner Beziehung mit David bekommt und sucht irgendwann sogar eine Hexe für Kriegsrat auf; niemand im Volk nimmt ihn mehr ernst. Schließlich wird er usurpiert von David, seinem ehemaligen Hofmusiker, dem Freund seines Sohnes, der trotz allem lange Zeit Saul gegenüber positiv eingestellt war.

 

Das ist also eine der packendsten, tragischsten und unterbewertesten Stories der gesamten Bibel, doch was können wir daraus lernen? 

In diesen Büchern des alten Testaments geht es viel ums Regieren. Es wird viel hin- und her-überlegt, was für ein Regierungssystem durchsetzungsfähig ist und was für Qualitäten eine Person mit viel Entscheidungskraft haben sollte. Doch in der Geschichte Sauls, des ersten Königs geht es vor allem darum, wovon man sich selbst regieren lässt.

Saul startet als ein hoffnungsvoller junger Mann, der sich von Offenheit, Zuversicht und seinem guten Willen leiten lässt. Doch die massive Verantwortung, die ihm in seinem jungen Alter aufgeladen wurde, gepaart mit dem Mißtrauen Samuels, tat ihm nicht gut. Er hat irgendwann angefangen, den möglichst sichersten Weg zu verfolgen. Die meisten seiner Entscheidungen kann man auch voll und ganz nachvollziehen, doch mit der Zeit wird immer deutlicher, dass seine Entscheidungen nur noch von Angst geleitet werden. Angst vor Fehlern und Angst, alles zu verlieren. 

Wir lernen daraus, dass jede*r von uns die Möglichkeit hat, aufrichtig, heldenhaft und gut zu sein, solang wir uns von Zuversicht, Offenheit, Güte und Liebe leiten lassen, aber auch dass jede*r von uns das Potenzial hat, starr, verbittert und scheinbar herzlos zu werden, wenn wir uns von Angst, Eifersucht und Neid regieren lassen. 

 

Das Lied "Das Motiv" von Bodo Wartke fasst diese Idee auch wunderschön in Worte und gibt einen Rat, den Saul gut hätte gebrauchen können: "Ich glaube es wird Zeit / auch wenn du hin und wieder wankst / etwas zu ändern / bevor du noch erkrankst. / Wer weiß schon, was die Zukunft bringt / und wenn du auch um sie bangst / und nicht weißt, ob es dir gelingt / und du echt dahin gelangst; / Lass es einfach mal darauf ankommen, / nutze die Chance. / Tu was du tust aus Liebe, / tu es nicht aus Angst. / Tu was du tust aus Liebe, / tu es nicht aus Angst."