Von Abschluss, Fähigkeiten und einem Pastoralreferenten
Das Herz von Petronilla KW34
Die Aufgaben der Woche
ein Jahr geht zu ende
Dies ist die letzte Woche meines FSJs. Das - zusammen mit den Vorbereitungen für das Gemeindefest am kommenden Samstag - hat die letzten Wochen zu ganz besonderen gemacht.
Am letzten Donnerstag habe ich mich mit Pastoralreferent Hans-Dieter Sauer, der im Laufe des Jahres meine primäre Ansprechperson war, zusammengesetzt, um zu schauen, was ich in Zukunft auch ehrenamtlich weitermachen könnte. Teilweise waren dies Dinge, zu denen ich mich aus Pflichtgefühl bereiterklärte, aber größtenteils waren das Sachen, die mir auch tatsächlich große Freude bereiten - so zum Beispiel bei den Kinderbibelwochen auszuhelfen oder Lektor*innendienste zu übernehmen. Noch habe ich natürlich so gut wie nichts mit 100%iger Sicherheit versprochen, weil ich noch nicht einschätzen kann, wie sehr mich mein im Oktober beginnendes Studium beanspruchen wird, aber es zeichnet sich schon ab, dass mich diese Gemeinde ganz so schnell nicht los wird.
Bei diesem Gespräch wurde ich auch mit der Realität von Veränderung konfrontiert. Vielleicht liegt es daran, dass ich in recht priviligierten Umständen groß geworden bin, vielleicht ist es einfach meine Persönlichkeit - so oder so, eine Veränderung dessen, was mir bekannt ist, verängstigt mich oft. Ich klammer mich förmlich an das Vertraute; so durchschreite ich beispielsweise auch oft noch die Gänge des Gymnasiums St. Mauritz (meiner ehemaligen Schule) und setze mich in die Schulkapelle. Daher kam eine leichte Betrübtheit in mir auf, als Hans-Dieter mich darauf aufmerksam machte, dass die Firmkatechese wie ich sie als Firmling erlebt hatte, in dieser Form nicht mehr existiert. Es gibt wohl noch Katechese in der Großgruppe der Firmbewerbenden, aber nicht mehr Kleingruppen, die sich mehrmals mit ihren jeweiligen Katechet*innen selbst organisiert für die einzelnen Einheiten zusammensetzen, um Themen des Glaubens und allgemeinen Lebens individuell zu besprechen, so wie ich es kennengelernt habe. Da schon lange der Gedanke, irgendwann auch diese mir bekannte Form der Firmkatechese zu übernehmen, in meinem Kopf herumschwirrte, traf mich die Info, dass das Konzept verändert wurde, wie ein Schlag. Ich habe mich noch nicht ausführlich damit beschäftigt, wie dieses neue Firmkatechesenkonzept genau funktioniert, und gehe fest davon aus, dass auch diese Form einige Vorteile hat, aber wie gesagt: Veränderung verängstigt mich.
Aber auch schon am vergangenen Wochenende habe ich mich bei einer anderen Gemeinde ehrenamtlich engagiert. Bei dem Pfarrfest der Gemeinde St. Joseph Münster-Süd letzten Samstag (genau eine Woche vor unserem Gemeindefest) habe ich den Stand der Queergemeinde Münster unterstützt. Ich gehe semi-regelmäßig zu den monatlichen Gottesdiensten der Queergemeinde und habe auch bereits an anderen Aktionen, die sie angeboten haben wie einen Wandergottesdienst an Gründonnerstag, teilgenommen und dadurch einige der dort tätigen Menschen kennengelernt. Als bei dem letzten Gottesdienst der Queergemeinde also erwähnt wurde, dass Unterstützung bei dem Pfarrfest willkommen wäre, habe ich mich daher schnell bereit erklärt.
So kam ich am Samstag an und half den anderen Freiwilligen u.a. beim Aufbau des Zeltes, Auslegen der Flyer und dem Geldwechsel. Joachim Speck half auch mit. Er hat einen großen Bottich mit Waffelteig mitgebracht, der im Verlauf des Nachmittags vollkommen aufgebraucht wurde. Es war schön, so viele lachende Gesichter an dem Tag zu sehen (ohne viel mit ihnen interagieren zu müssen) und mich nützlich machen zu können.
Eine Aufgabe, die mich in den letzten Wochen auch begleitet hat, dreht sich um das Möbellager der Flüchtlingshilfe Münster-Ost. Während die Möbelgarage mit den größeren Möbeln wie Sofas, Schränke und Tische weiter in Verwendung bleibt, wird der hintere Teil, in dem kleinere Haushaltsgegenstände, Spielsachen und Ähnliches aufbewahrt werden, so langsam aufgelöst. Der Bedarf ist einfach nicht mehr so groß - was ein gutes Zeichen ist!
In diesem Kontext kamen bisher drei Aufgaben auf mich zu: Zunächst sollte ich alle Inliner und Rollschuhe, die dort gelagert waren, zum Pfarrheim bringen, damit sie von der Münster Tafel auch herausgegeben werden konnten. Da dort sehr viele Rollschuhe lagen und ich nur zwei Hände habe, nahm ich mir die Schubkarre unseres Hausmeisters Johann Dos Santos zur Hilfe genommen. Ich fühlte mich etwas albern, mit einer Schubkarre quer durch Handorf zu spazieren, aber im Laufe meines FSJs (und meines Klinikaufenthalts im Jahr davor) habe ich gelernt, Schamgefühlen ein bisschen weniger Raum in meinem Leben zu geben. Und tatsächlich gab es bei den Kund*innen der Tafel mehr als genug Abnehmende für die Rollschuhe.
Mein zweiter Auftrag - ein paar Tage später - war das Erstellen einer Bestandsliste, in der alles aufgeführt werden sollte, was in diesem Teil des Möbellagers war. Also schnappte ich mir einen Kugelschreiber und das Notizbuch, das mir eine sehr gute Freundin letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, und fing an, mich durch all die obskuren Objekte dort durchzuarbeiten. Von Schulranzen, über Schlittschuhe und einen CD-Player, der an der Decke anzubringen ist bis zu Objekten, die ich gar nicht mal identifizieren konnte, war alles mögliche dabei. Nachdem ich im Möbellager fertig war, musste ich erstmal meine Hände waschen, da ich etliche fremde Haushaltsgegenstände angefasst hatte. Dann tippte ich die Liste ab und legte sie Hans-Dieter ins Büro.
Kurz danach bot die Münster Tafel auch die ganzen Schlittschuhe aus dem Möbellager an. Anscheinend war da der Ansturm nicht ganz so groß, da einige davon im Nachhinein noch übrig blieben. Die sollte ich dann zurück ins Möbellager bringen. Das Problem war bloß,dass die Schubkarre zu dem Zeitpunkt bereits in Verwendung war und ich somit einen anderen Weg finden musste, all die Schlittschuhe zu transportieren. Also holte ich mein Fahrrad mit seinen großen Seitentaschen. Dort quetschte ich mit großen Bemühungen alles rein und fuhr mit meinem ruckeligen Gefährt zum Möbellager. Und tatsächlich: nichts fiel herunter! Als ich die Schlittschuhe zurückstellte, begegnete ich zufälligerweise einer der Ehrenamtlichen, die die Kleiderkammer/Second-Hand-Laden "TragBar" am laufen halten. Da die TragBar sich in dem gleichen Gebäude wie das Möbellager befindet und es während der Öffnungszeiten der TragBar war, kam das nicht als eine riesige Überraschung. Was mich allerdings positiv überraschte war, dass die Person, die mir da über den Weg lief, nicht nur eine Person war, mit der dienstlich schon öfter Kontakt hatte, sondern auch die Mutter eben der Freundin, die mir das Büchlein, in das ich die Bestandsliste geschrieben habe, geschenkt hatte, war. So schließt sich ein Kreis!
Eine weitere kleine Aufgabe, die mir in der letzten Woche begegnete, war das Erstellen einer Liste von Katechet*innen mit spezifischen Diensten für die Erstkommunion nächstes Jahr und das Raussuchen ihrer Mail-Adressen. Diese ersten Vorbereitungen für die nächste Erstkommunion hat mir auch nochmal vor Augen geführt, dass Dinge auch nach meinem Abschied ihren regulären Lauf nehmen werden.
Der Mensch hinter dem Amt

Pastoralreferent Hans-Dieter Sauer
Im Juni 2005 stellte mich der damalige Pfarrer von Petronilla, Gerd Ernst, der Gemeinde vor. Einiges war mir bereits vertraut, da ich seit 2001 am Mauritz-Gymnasium Schulseelsorger und mit den Handorfer Schülern in gutem Kontakt war. Zwei halbe Stellen – überwiegend vormittags in der Schule – nachmittags/abends in der Gemeinde. In „zwei Taschen“ denken, das ging!
Meine große Leidenschaft war und ist die kirchliche Jugendarbeit:
- ob in der Schule bei den Schulgottesdiensten, bei Tagen religiöser Orientierung, Beratung oder Schulprojekten wie z.B. dem Sozialpraktikum –
- oder in der Gemeinde bei Pfadfindern, Kinderbibelwochen und Ferienlager.
Warum?
Weil hier die Fragen des Lebens besonders offenliegen:
- wie gelingen Beziehungen?
- was will ich in meinem Leben werden, anfangen, erreichen?
- ist Gott in meinem Leben eine gute Frage, eine tragende Antwort?
- was ist mit Familie und Beruf?
- was sind meine Leidenschaften, wofür brenne ich?
Und meine Fragen waren:
- wie kann ich als Seelsorger darauf Antworten geben?
- aus einer eigenen Gottesbeziehung
- aus der Bibel und den vielen Katechesen
- aus den kirchlichen und spirituellen Angeboten
- aus der Begegnung mit glaubhaften Menschen
Großen beruflichen support erhielt ich immer von meinen eigenen drei Kindern, denn bei ihnen konnte ich ablesen: was sind ihre Lebensthemen (vom 1. Pickel bis zum Liebeskummer), welche Musik, welche Stars, welche Kanäle sind wichtig?
Einiges hat sich seitdem verändert:
2010 wurde Petronilla durch die Fusion größer und im Sommer 2014 habe ich mich vom Mauritz-Gymnasium verabschiedet – und die 50 % St. Petronilla zugeschlagen. Mit der Flüchtlingskrise 2015 und den damit verbundenen Anfragen und Sorgen waren wir uns einig, dass ich hier sehr schnell einen Teil dieser 50% einsetzen könnte.
Eine unglaubliche Zeit mit großartigen, berührenden, traurigen und auch erlösenden Momenten.
Und das – glaube ich – ist meine zweite Leidenschaft: soziale Fragen, Ungerechtigkeiten und Benachteiligung zugunsten einer Solidarität auf Augenhöhe anzugehen. Meine sozialpädago-gische Ausbildung half mir dabei. Die beiden Kirchengemeinden und unzählige Ehrenamtliche haben zum Erfolg unserer Initiative beigetragen. Es ist diese Frage Jesu an den Bettler:
Wie geht es Dir? Was möchtest du, was ich für dich tun kann?
Inzwischen bin ich dreifacher Großvater und freue mich über dieses Wachstum in der eigenen Familie. Ich habe mehr als 40 Jahre in der Öffentlichkeit gestanden – eine Zeit mit viel Disziplin – nun spüre ich, dass auch der Rückzug ins Private seinen Reiz hat. Somit genieße ich das letzte Jahr in unserer Gemeinde, auch mit all den übrigen – hier nicht genannten - Facetten, die ich gerne tue.
Die Wahrheiten im Wort

"Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Gott bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, [...] wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will. Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit umso mehr Anstand, während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem benachteiligten Glied umso mehr Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit."
1. Kor. 12, 4 -26
Dieser Abschnitt aus dem ersten Korintherbrief zeigt uns eine anscheinend zeitlose Wahrheit der menschlichen Existenz - sowohl auf persönlicher, als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Die Tatsache, dass jede Person über andere Talente, Fähigkeiten und Veranlagungen verfügt und das auch gut ist. Oder wie es in der Komödie Das Leben des Brian heißt: "Ihr seid alle Individuen und ihr seid alle völlig verschieden!" ("Ich nicht.").
Natürlich ist das grundsätzlich offensichtlich, doch die Implikationen, die damit kommen und in dieser Stelle auch schon angedeutet werden, sind ganz interessant.
Auf der einen Seite ist es auf der gesellschaftlichen Ebene optimal, wenn alle Mitglieder an einem Strang ziehen. Und das heißt nämlich nicht, dass alle exakt das gleiche machen mit dem gleichen Ziel im Kopf, sondern dass jede Person ihre individuellen Talente einsetzt und somit die Gesamtgesellschaft unterstützt. Das Lied "Das falsche Pferd" von Bodo Wartke beginnt mit den Worten: "Stell dir vor, wir Menschen würden von nun an nur noch Dinge tun, die wir wirklich gerne tun?; sprich: aus Liebe handeln und fortan all das lassen, was wir hassen, was wäre dann?". Im Rest des Liedes wird eine utopische Gesellschaft gezeichnet, in der jeder Mensch seinen Leidenschaften und Begabungen folgt statt den prestigereichsten und bestbezahltesten Berufen zu folgen. In dieser Vision werden nicht manche Berufe deutlich mehr respektiert als andere. In der Realität ist das natürlich momentan anders. Gewisse Berufe finden deutlich mehr Ansehen als andere - ungeachtet, wie wichtig sie für eine funktionierende Gesellschaft sind.
as hat auch Paulus gesehen und geht darauf auch am Ende dieser Stelle ein mit den Worten: "Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit umso mehr Anstand, während die anständigen das nicht nötig haben." Das Verhältnis von Anstand der Tätigkeit zu Respekt, die dafür erwiesen wird, ist natürlich nicht immer exakt antiproportional (Ärzte z. B. werden hochgeachtet und tun eine sehr ehrenhafte Pflicht für die Gesellschaft), aber oft genug ist es unergründlich, wie viel Anerkennung welche Tätigkeiten kriegen. Man denke nur daran, wie sehr Hollywood-Schauspieler*innen angehimmelt werden; versteht mich nicht falsch: ich wäre die letzte Person, die die Bedeutung jeglicher Kunstformen runterspielen würde und die meisten - wenn nicht sogar alle - dieser Darstellenden verdienen reichlich Anerkennung für ihre Hingabe, aber verdienen sie so viel mehr Anerkennung als die Menschen, die ihr Leben der Pflege, Erziehung oder der Abfallwirtschaft widmen?
"Wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit."
Auf der anderen Seite kann es persönlich sehr erfüllend sein, wenn man die eigene Bindung zum heiligen Geist pflegt, indem man das tut, was einem liegt und Freude bereitet - selbst wenn man nicht direkt den positiven Einfluss, den man dadurch auf die Welt bewirkt, merkt.
Selbstverständlich ist die Vorstellung, dass jede Person ihren Leidenschaften folgen kann und die Gesellschaft dadurch einwandfrei läuft, recht naiv. Aber wo wir in eine Ära kommen, in der immer mehr Arbeitsfelder auch von Technologie übernommen werden könnten, ist es womöglich Zeit, das System des Arbeitsmarkts zu überdenken, damit mehr Menschen in der Lage sind, sich individuell zu verwirklichen, ohne in finanzielle Not zu kommen und die Arbeitsfelder, die keine Interessent*innen finden, aber wichtig sind, können dann mehr von Technologie besetzt werden. Das ist lediglich ein utopisches Gedankenspiel - ich bin schließlich kein Experte in den Bereichen der Soziologie und Wirtschaft - aber vielleicht lohnt es sich, sich diese Vorstellung durch den Kopf gehen zu lassen, um eine neue Perspektive zu erreichen.